Journalismus – Projekte zu Kunst und Gesellschaft

Dramaturgie und Tanz? Geht das zusammen oder anders gefragt: braucht es so etwas wie Dramaturgie überhaupt?

Ich meine ja, denn nicht nur das auf einem geschriebenen Text basierende Theater profitiert von einer Person, die aus kritischer Distanz zu einer Regisseurin/einem Choreografen das „dramatische“ Setting beobachtet und begleitet. Auch in einer Tanz-Schrift braucht es manchmal eine „Strichfassung“, müssen Bewegungssequenzen zugunsten der Verständlichkeit und des Spannunsbogen gekürzt werden.

Studien zu Isadora Duncan von F.A. von Kaulbach, 1902

Tanz ist ein Text auf anderer Ebene, er schreibt sich mit seiner ganz eigenen Energie in Raum und Zeit ein. Eine Bewegung löst sich aus einem Impuls, einer Energie. Das können Emotionen sein, bestimmte Vorstellungsbilder oder Gedanken. Tanz ist immer ein Denken in Bewegung, auch wenn er das Publikum primär körperlich trifft und emotional anspricht. In diesem Sinn kommt dem tanzenden Körper der Status eines Schreibenden zu, – das Resultat zeigt sich im Text, sprich: der Choreografie. Und darüber lässt sich reden, – immer im Wissen, dass das, was den künstlerischen Impuls und Prozess ausmacht, mit logisch-kognitiven Methoden letztlich nicht fassbar ist. Theater und Tanz sind, in ihren grossen Momenten, gesellschaftlicher Spiegel, berühren, überraschen und schockieren vielleicht auch.

 

Jede zeitgenössische Choreografie schreibt/erfindet neu ihre eigenen Regeln. Es ist ein komplexes Gebilde: Neben den Grundkonstanten Raum und Zeit machen die Musik und das Zusammenspiel von Licht, Ton, Kostüm und Objekten das Kunstwerk Tanz aus. Vielleicht kommt es auch zu spartenübergreifenden Kooperationen, - es wird noch komplexer. Da kann eine Dramaturgin als sogenanntes "Oeil extérieur" Unterstützung bedeuten, - eine fachkompetente Person, die den künstlerischen Prozess mitverfolgt, ohne sich direkt einzumischen. Eine Dramaturgin, die immer wieder ein paar Schritte zurücktritt, um das Ganze nicht aus dem Blick zu verlieren, und engagiert ihr Feedback gibt.

 

Background:

Seit der Saison 2006/07 arbeite ich zu 50% als Ballett-Dramaturgin am Theater Basel.

Seit 2002 schreibe ich als freiberufliche Journalistin regelmässig über Tanzaufführungen.


top